Neues Schillerhaus – Theater- und Literaturmuseum
Am 26. Juni 2012 jährte sich die Einweihung des heutigen Goethe-Theaters zum 210. Mal. Die Tradition des Theaterspiels im vormaligen Luxus- und Modebad Lauchstädt vergegenständlicht sich in diesem schlichten Bauwerk, das mittlerweile zu einer Architekturikone geworden ist.
Der Tradition und Geschichte des Theaters im 19. und 20. Jahrhundert widmet sich die Ausstellung vornehmlich.
Heute kennt man Bad Lauchstädt weithin als Theaterstadt. Das ist besonders Menschen zu verdanken, denen das kulturelle Erbe Bad Lauchstädts unabhängig vom jeweiligen Zeitgeist angelegen war, die das Theater und das Theaterspiel geliebt, gefördert und erhalten haben.
Die Ursprünge des Theaters, die bis in das Jahr 1761 zurück reichen, liegen in dem Aufschwung Lauchstädts nach der Entdeckung der Heilquelle und der Förderung des Kurwesens durch die Merseburger Herzöge und die Kurfürsten von Sachsen begründet. Zwischen unserer Gegenwart und der Gründungsepoche des Theaters liegen Kriege, Revolutionen, die für Lauchstädt folgenreiche Gebietsabtretung Sachsens an Preußen nach dem Wiener Kongress, zwei Diktaturen und nun schon wieder über zwanzig Jahre Zugehörigkeit zum neu gegründeten Bundesland Sachsen-Anhalt. Diese lange, wechselvolle Geschichte kann man voller Zuversicht Revue passieren lassen: das Theater steht unversehrt dem Museum gegenüber am Rande des Kurparks und nach wie vor wird es im Sinne seiner Gründer und Stifter genutzt.
Gang durch die Ausstellung
Das Neue Schillerhaus
Foto: kocmoc.net GmbH | Leipzig
Das 2010 als „Neues Schillerhaus“ eingeweihte, städtische Ausstellungsgebäude ist im Kern ein spätbarockes Bürgerhaus. Es entstand am Ende des 18. Jahrhunderts im Rahmen der mit dem Ausbau der Kuranlagen verbundenen, südlichen Stadterweiterung. Seine Fassade und seine Proportionen sind mit dem originalen Schillerhaus in der heutigen Schillerstraße nahezu identisch. Auch das „alte“ Schillerhaus entstand mit der Anlage des Stadtviertels im Weichbild des neuen Kurparks.
Flächige Abrisse und darauf folgend eine städtebauliche Neugestaltung ermöglichen gegenwärtig sogar eine früher verbaute, direkte Sichtbeziehung zwischen dem historischen und dem „Neuen Schillerhaus“.
Man betritt das Haus heute nicht mehr durch den repräsentativen, zweiflügeligen Eingang an der Straßenseite, sondern passiert den Hof und den kleinen Hausgarten, um über den hinteren Eingang in die Ausstellungsräume zu gelangen. Das Innere des Hauses wurde bei der Sanierung 2009/10 völlig neu gestaltet und besitzt keinen Bezug zu einem bürgerlichen Wohnhaus des 18. Jahrhunderts. Ziel der Ausstellung war es unter anderem, die verlorene Kleinteiligkeit des Hauses und seine differenzierten Raumfolgen mit modernen Mitteln erlebbar zu machen.
Im Erdgeschoss wird von dem enormen Aufschwung Lauchstädts berichtet, der aus dem unbedeutenden Ackerbürgerstädtchen in nur wenigen Jahrzehnten das Luxus- und Modebad des sächsischen Adels werden ließ. Großflächige Abbildungen der neuen eleganten Bauten des kursächsischen Hofes und des mondänen gesellschaftlichen Lebens führen in einen separaten Raum, der einem Audienzzimmer ähnelt. Er enthält das Modell des Theaters und steht für den Höhepunkt dieser Entwicklung. Um es betrachten zu können, betritt der Besucher historischen Boden: Dielenbretter, die aus dem historischen Bestand der Kuranlagen stammen, über die Goethe, Schiller und die Damen Lengefeld und Vulpius womöglich schritten, wenn sie den Kursaal besuchten, um ihre Mahlzeiten einzunehmen.
Foto: kocmoc.net GmbH | Leipzig
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Im Obergeschoss befindet sich das historische Schillerzimmer. Eine Rarität, verbunden mit einer Geschichte, die es so nur in Lauchstädt gibt. Nach dem Tode Schillers 1805 wurde das Interieur von dem Lauchstädter Kunsttischler Küchler, dem einstigen Quartiervater Charlottes und Carolines, angefertigt und der Öffentlichkeit als Gedächtnisort an die Verlobung Schillers und Charlottes angepriesen. Über 200 Jahre erhielten die Erben Küchlers das kunstgewerblich exzellent gearbeitete Interieur und mit ihm die Legende der Verlobung Schillers in Bad Lauchstädt.
Natürlich sind Schillerzimmer und Verlobungsmythos einem auf Quellengenauigkeit und Faktentreue achtenden Zeitgeist suspekt. Betrachtet man das Zimmer jedoch im Vergleich zu den nur wenige Jahrzehnte später im Weimarer Stadtschloss eingebauten, prunkvollen Dichterzimmern der Großherzogin Maria Paulowna, erscheint einem das Anliegen Küchlers plausibel und zeitgemäß als eine frühe Form der bürgerlichen Schillerverehrung.
In einem weiteren Raum kann der Besucher das Panorama des Lauchstädter Kurparks um 1789 genießen. Wie auf einem Gemälde Tischbeins erscheinen Landschaft, Bauten und Menschen. Abwechselnd erscheinen den Besuchern überlebensgroß die Porträts Schillers, Charlottes und ihrer Schwester Caroline. Briefe schildern die Gefühle der drei jungen Menschen in jenem folgenreichen Sommer 1789, der in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Schöne Aussichten aus den Fenstern des Hauses verbinden Historie und Gegenwart.
Das Dachgeschoss widmet sich noch einmal dem Theater und zeigt in der Art einer Schatzkammer Pretiosen aus der über zweihundertjährigen Theatergeschichte. Der sagenhafte Regiesessel Goethes, die originale Windmaschine, eine Postkarte mit der Ankunft Richard Wagners in Lauchstädt 1834, ein Porträt der Schauspielerin Tilla Durieux, zahlreiche Plakate und Theaterzettel der unzähligen Premieren und Theatervorstellungen.
Im ersten Stock eines schlichten Bürgerhauses der Barockzeit in der heutigen Schillerstraße 5 (weniger als einhundert Meter vom neuen Standort entfernt) befand sich, originalgetreu bewahrt und von Schillerfreunden über Generationen als Geheimtipp bestaunt, das Lauchstädter Schiller-Zimmer.
Im Hochsommer 1789 warten Caroline und Charlotte von Lengefeld im vornehmen Kurort Bad Lauchstädt auf Friedrich Schiller, den knapp dreißigjährigen, hochbegabten Dramatiker, den sie seit 1787 kennen und in den die Schwestern verliebt sind. Im persönlichen Umgang ist Schiller, man vermutet es nicht, ein schüchterner Mensch. Das Verlöbnis mit Charlotte, ein schlichtes Eheversprechen, findet auf dem Postwege statt.
Die Überlieferung hat aus dieser schriftlichen Übereinkunft der Brautleute das „Verlöbnis Schillers zu Lauchstädt“ werden lassen und das ausgewogen proportionierte Zimmer mit dem zeitstiligen Mobiliar in den Rang einer Memorabilie erhoben.